AStA-Vorsitzender der FH Düsseldorf, Maik Gellrich: „Die Zeit wird für uns sprechen“
Obwohl die Fachhochschule Düsseldorf eine der wenigen Hochschulen in Nordrhein-Westfalen ist, die bis dato keine Studienbeiträge erhoben hat, kam es in den vergangenen Wochen zu Protest-Aktionen seitens einer Gruppe Studierender. Von Bildungsnotstand und bildungspolitischer Misere ist die Rede. Über die Hintergründe und Ziele sprach Simone Fischer mit dem AStA-Vorsitzenden der FH Düsseldorf Maik Gellrich:
Herr Gellrich, seit Mitte Oktober demonstrieren viele Angehörige des Fachbereichs Sozial- und Kulturwissenschaften, des FB 06, gegen die Finanzsituation an Ihrem Fachbereich und die aktuelle Bildungspolitik in NRW. Mit welcher Zielsetzung?
Der Protest im FB 06 ist aus den unzureichenden Studienbedingungen zu Beginn des Semesters abrupt entstanden. Die Erstsemester haben schnell gemerkt hier geht strukturell etwas schief. Mit den Erfahrungen aus dem letzten Semester und der politischen Motivation, daran etwas zu ändern, konnten wir nicht länger wegschauen. Wir mussten ein Zeichen setzen und aufzuzeigen, dass die angesprochenen finanziellen Probleme der FH nur die Spitze des Eisberges sind. Das Land hat in seiner Bildungspolitik auf die ausgelagerte Finanzierung durch Studiengebühren gesetzt und das Resultat sehen wir hier. Es ist Aufgabe des Landes, den regulären Studienbetrieb zu gewährleisten und nicht durch mehr institutionalisierten Wettbewerb die Hochschulen in eine Konkurrenzsituation zu bringen, in der es logischerweise nicht nur Gewinner geben kann. Wir kritisieren die gesamte Bildungsfinanzierung in diesem Lande.
In den vergangenen Wochen haben gut ein Dutzend Studierende am Campus-Süd bei Regen und Kälte gecampt, um auf die aus ihrer Sicht bildungspolitische Misere aufmerksam zu machen. Mit welchem Ergebnis?
Es wurde auf dem Campus angeregt über Sinn und Unsinn von ausgelagerter Bildungsfinazierung diskutiert. Lehrende, Studierende und Passanten haben sich am Stand vor dem Camp getroffen. Im Hinblick auf die aktuelle HIS-Studie und die verhaltenen Herangehensweise beim Bildungsgipfel in punkto Bildungsfinanzierung haben wir unsere Bedenken klar geäußert: Nur ein gebührenfreies Studium ist sozial verträglich und der Wandel der Hochschulen zu einer unternehmerischen Bildungsfabrik, die nur noch outputinteressiert ist, lehnen wir ab. Bei den allermeisten sind wir auf offene Ohren gestoßen und erfreuten uns an der regen Teilnahme an den allabendlichen Diskussionsrunden. Die daraus entstandenen Kontakte werden in absehbarer Zeit Früchte tragen.
Mal abgesehen davon, dass allein der Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften rund 1700 Studierende hat, haben nur rund 20 an der jüngsten Protest-Aktion, dem Camp, teilgenommen. Auch aus anderen Fachbereichen, der Fachbereich Wirtschaft sitzt beispielsweise ebenfalls am Campus-Süd, war von einer aktiven Partizipation nichts zu bemerken. Wie erklären Sie sich das?
Abgesehen davon, dass das Uni-Semester sehr jung und eine ortsgebundene Protestform an den FH-Standort Golzheim sehr schwierig zu vermitteln ist, haben wir bisher sehr gute Arbeit geleistet. Viele Studierende kämpfen mit der Überlastung durch Studium, Arbeit und Privatleben. Da bleibt für das politische Engagement nicht viel Zeit. Ebenfalls scheinen die aus der schleichenden Unterfinanzierung resultierenden Vakanzen in den anderen FB anders gedeutet oder politisch umgedeutet worden zu sein. Man sucht den Fehler an der falschen Stelle. Für einige sind die fehlenden Studiengebühren die Ursache.
Heißt das nicht im Umkehrschluss, dass seitens der Studierenden die Mehrheit Studienbeiträgen gleichgültig gegenübersteht?
Gleichgültig auf keinen Fall. Das würde ich nicht sagen. Eher desillusioniert. Sie wissen nicht mehr, was sie glauben sollen. Man geht dann unbewusst in eine Abwehrhaltung, wenn es um das Thema geht. Viele überspielen die Ratlosigkeit gegenüber politischen Themen in der Öffentlichkeit mit dem Rückzug ins Private oder schieben andere Gründe vor, um sich nicht damit befassen zu müssen. Diese Alternative ist aber gesellschaftlich unverantwortlich. Der Individualisierung von Problemlösungen, weil sie effizienter und einfacher scheint, setze ich die Solidarität mit anderen entgegen. Das Private bleibt politisch.
Kommt da nicht auch Enttäuschung auf? Immerhin waren es bei der ‚Rüttgers-Demo’ noch mehrere Hunderte, die sich Ihren Unmut gegen den aktuellen bildungspolitschen Kurs Luft machen wollten. Doch zu einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten ist es ja nicht einmal gekommen.
Er hat sich einem Dialog entzogen. Das Signal macht deutlich: Anscheinend sind wir für Herrn Rüttgers noch nicht repräsentativ genug- dies gilt es zu ändern und ich bin zuversichtlich. Wir werden immer wieder präsent sein und weiter an der Sensibilisierung und Mobilisierung der Studierenden arbeiten. Der politische Druck wird bis zu den Landtagswahlen 2010 stetig zunehmen. Es wird neue Studien zu den Studiengebühren geben, Länder werden ihr Finanzierungskonzepte überdenken und es Hessen gleichtun und die bisher gebührenfreien Länder werden auch bis dato keine Gebühren einführen. Die Zeit wird für uns sprechen.
Wie motivieren Sie sich und Ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen? Gilt hier das Motto „Einer für alle, alle für einen?“
Je mehr man Bescheid weiß, je interessanter und tiefgehender die Auseinandersetzung, desto mehr sieht man den Sinn, sich für etwas zu engagieren. Persönlich gesehen nehme ich den gesellschaftlichen Auftrag war, mich als Student kritisch und sachlich mit der Politik auseinander zu setzen – auch die Kälte schweißt zusammen.
Welche Folgeschritte schweben Ihnen nun vor?
In Hinblick auf die Bundestagswahlen in einem Jahr werden wir natürlich die Parteiprogramme durchleuchten. Wahlprüfsteine werden da ein Thema sein. Wir würden uns wünschen, dass sich die Hochschulleitung auf landespolitischer Ebene unseres Anliegens annimmt und offensiver mit dem Alleinstellungsmerkmal „gebührenfrei“ auseinandersetzt. Gleichzeitig sehen wir aber auch das Spannungsverhältnis zwischen freier und selbstbestimmter Forschung und Lehre auf der einen und der Leitung einer unternehmerischen Hochschule auf der anderen Seite.
Der freien bildungspolitischen Willensäußerungen durch die Studierenden steht die Bildung jener zuvor, die noch unentschlossen sind. Solidaritätsbekundungen seitens öffentlichkeitswirksamer Personen könnten neue Kräfte freilegen. Sozusagen sind auch die Teile in der Gesellschaft gefragt, die sich selbst zu den moralischen und kritischen Instanzen zählen.
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Kurzvita Maik Gellrich:
- Geboren am 16.09.1980 in Bottrop
- Fachabitur im Jahr 2001
- Ausbildung zum Vermessungstechniker
- Seit WS 2007/08 Student der Sozial- und Kulturwissenschaften
- Seit 11/07 AStA-Referent für Hochschulpolitik
- Seit 03/08 AStA-Vorsitz