40 Jahre Fachhochschulen in NRW
Spielräume erweitern – Zukunft sichern
Die meisten nordrhein-westfälischen Fachhochschulen gingen vor vierzig Jahren aus mehreren Vorgängereinrichtungen hervor. In den Neunzigerjahren wurden als strukturpolitische Ausgleichsmaßnahmen zwei weitere Fachhochschulen gegründet, und 2009 kamen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Stärkung der Innovationskraft von Regionen und der Deckung des Fachkräftenachwuchses vier weitere Fachhochschulen hinzu.
Atmeten die Fachhochschulen in den Siebziger- und Achtzigerjahren noch stark den Geist der - schulischen - Vorgängereinrichtungen, so hat sich das Bild inzwischen erheblich gewandelt: In Bachelor- und Masterstudiengängen wird eine akademische Qualifizierung vermittelt, die sowohl die Aufnahme einer Fach- und Führungstätigkeit ermöglicht als auch die Voraussetzungen für eine wissenschaftliche Weiterqualifizierung schafft. Forschung und Entwicklung zählen zu den Dienstaufgaben der Professorinnen und Professoren, und das Qualifikationsniveau des Hochschulpersonals ist erheblich gestiegen. Das Studienangebot erfreut sich sowohl bei Abiturientinnen und Abiturienten als auch bei nicht-traditionellen Studierenden hoher Beliebtheit, so dass die meisten Studiengänge im Hinblick auf die Sicherung der Qualität der Lehre mit einem Numerus Clausus versehen werden mussten. Trotz der stark gestiegenen Anfängerzahlen sind die Studierenden durchweg zufrieden mit ihrem Studium, und die Akzeptanz der Abschlüsse auf dem Arbeitsmarkt ist gut.
Nicht geändert haben sich die Rahmenbedingungen: Das Lehrdeputat beträgt nach wie vor achtzehn Semesterwochenstunden, die Personalausstattung hat sich kaum gewandelt, von Labormitarbeitern abgesehen fehlt ein akademischer Mittelbau weitgehend, und es gibt keine attraktiven Karrierewege innerhalb der Fachhochschulen für das wissenschaftliche Personal. Im Rahmen des Hochschulpaktes nehmen die Fachhochschulen deutlich über ihre eigentliche Kapazität hinaus Studierende auf; sie wissen, dass sie am Ende des Jahrzehnts wieder erheblich abschmelzen müssen, ohne dass ihr Personaltableau ihnen die dafür erforderliche Flexibilität bietet. Vor allem aber zeichnet sich bereits ab, dass die Fachhochschulen bei dem sich verschärfenden Fachkräftemangel sowohl gegenüber der Wirtschaft als auch gegenüber den Universitäten das Nachsehen haben werden bei dem Versuch, hochqualifiziertes Personal zu gewinnen.
Neue Spielräume sind deshalb dringend erforderlich, die die einzelnen Hochschulen ihrer jeweiligen Situation und ihren konkreten Zielen entsprechend nutzen können.
Notwendige Perspektiven
Die Attraktivität einer Hochschule hängt für Studierwillige heute in hohem Maße davon ab, welche Perspektiven sie ihren Studierenden grundsätzlich bieten kann – unabhängig davon, ein wie großer Prozentsatz der Studierenden diese Möglichkeiten dann tatsächlich nutzt.
Die Fachhochschulen halten daran fest, dass ihre Bachelorstudiengänge berufsqualifizierend sind, dies ist für ihre Studierenden ein wichtiges Qualitätsmerkmal. Sie nutzen deshalb die Bandbreite der möglichen Semesterzahlen, integrieren Praxisphasen und Auslandssemester und nutzen ihre internationalen Kontakte, um Auslandesaufenthalte zu unterstützen.
Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, wie wichtig aber auch die Möglichkeiten einer darüber hinausgehenden akademischen Qualifizierung sind. Dies erfordert die Bereitstellung einer bedarfsgerechten Zahl von Masterstudienplätzen und eine verlässliche Promotionsperspektive. Daher muss der § 67 Abs. 6 des Hochschulgesetzes, in dem es um kooperative Promotionen geht, durch folgenden Zusatz ergänzt werden: „Die Promotionsordnungen müssen kooperative Promotionen ermöglichen“. Darüber hinaus sollte in forschungsstarken Bereichen ein eigenständiges Promotionsrecht erprobt werden. Das Beispiel der Kunst- und Musikhochschulen zeigt, dass das Promotionsrecht durchaus selektiv innerhalb einer Hochschule verliehen werden kann. Anknüpfen ließe sich zum Beispiel an die positiv evaluierten Kompetenzplattformen, die von Anfang an auch die Aufgabe hatten Promotionen zu betreuen. Denkbar wäre auch die Verknüpfung dieser Bereich in einer gemeinsamen wissenschaftlichen Einrichtung der nordrhein-westfälischen Fachhochschulen – unter Beteiligung von Universitäten, wie dies auch im Kunst- und Musikhochschulgesetz formuliert ist. Eine Alternative könnten akkreditierte Promotionsstudiengänge sein, wie sie in der dritten Phase des Bolognaprozesses europaweit vorgesehen sind.
Hinsichtlich der Ausweitung des Fächerspektrums erscheint die in den Neunzigerjahren vom Wissenschaftsrat angedachte Verlagerung ganzer Fächer von den Universitäten an die Fachhochschulen nicht mehr zeitgemäß. Die inzwischen gewachsene Autonomie der Hochschulen und die Tatsache, dass Universitäten mittlerweile auch Studiengänge anbieten, die zunächst an Fachhochschulen entwickelt wurden, sprechen gegen ein solches Vorgehen. Einzelne Fachhochschulen könnten sich aber zum Beispiel durchaus vorstellen, einen eigenen Beitrag zur Lehrerausbildung zu leisten. Dazu sollte ihnen die Möglichkeit geboten werden, einschließlich der Zuweisung entsprechender Stellen.
Das Personaltableau der Fachhochschulen muss dringend erweitert werden, um den Hochschulen die erforderliche Flexibilität zu bieten und dem sich jetzt bereits abzeichnenden Nachwuchsmangel bei den Professorinnen und Professoren zu begegnen. Notwendig sind Stellen für Forschungsprofessuren mit einem Lehrdeputat von neun Semesterwochenstunden nach dem Muster anderer Bundesländer. Auch sollten Stellen für Juniorprofessuren geschaffen werden, die individuell im Hinblick auf die Berufungsvoraussetzungen der Fachhochschulen ausgestaltet werden können. In § 45 des Hochschulgesetzes sollte eine Kann-Regelung aufgenommen werden, die es ermöglicht, wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Lehraufgaben zuweisen. Außerdem benötigen die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen dieselben Spielräume für kapazitätswirksame Lehrermäßigung wie andere Bundesländer, die Obergrenze sollte von vier auf sieben Prozent angehoben werden.
Von entscheidender Bedeutung ist eine den Leistungen entsprechende Ausstattung: Die Fachhochschulen erwarten eine proportionale Berücksichtigung bei der Mittelverteilung und die Berücksichtigung ihrer Forschungsaufgaben bei der Grundausstattung.
Fazit
Die Fachhochschulen haben in den vergangenen vierzig Jahren gezeigt, dass sie hochmotiviert sind, an ihrer eigenen Entwicklung zu arbeiten und sowohl bei der Bildung junger Leute als auch bei der Stärkung der Regionen verantwortungsbewusst mitzuwirken. Die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen sollte ihnen dies auch in Zukunft ermöglichen.
Quelle: Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung