Fachtag “Kritische politische Bildung und demokratische Schulkultur” – ein gelungener Abschluss des XENOS-Projektes
Wie kann demokratisches Denken und Handeln, insbesondere bei jungen Menschen gestärkt werden? – lautete die zentrale Frage des Fachtags „Kritische politische Bildung und demokratische Schulkultur“, den der Forschungsschwerpunkt “Rechtsextremismus und Neonazismus” organisiert hatte zum Abschluss des XENOS-Projektes „Born- to be Me – Für Vielfalt und Demokratie” am 1. Dezember am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften.
Aufgeschreckt durch die neonazistische Mordserie wird in der Öffentlichkeit aktuell über Fehler und Versäumnisse bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Neonazismus sowie über Präventionsstrategien diskutiert. Bei ihrer Einführung zum Fachtag betonte die Leiterin des XENOS-Projektes, Adelheid Schmitz, dass angesichts des erschreckenden Ausmaßes neonazistischer Gewalttaten ein ganzes Maßnahmebündel erforderlich sei und präventive Ansätze nicht als „Feuerwehr“ zur Abwehr akuter Gefahren taugten. Wichtig sei im Moment die Aufklärung der rassistischen Mordserie und ihrer Hintergründe. Besonders kritisch müsse dabei auch das fragwürdige Verhalten des Verfassungsschutzes sowie der ermittelnden Behörden untersucht werden. Darüber hinaus stelle sich aber auch die Frage, ob und wie eine kritische politische Bildung als Teil präventiver Strategien dazu beitragen kann, demokratisches Bewusstsein und Engagement zu fördern.
Vor diesem Hintergrund konnten sich MultiplikatorInnen der schulischen und außerschulischen politischen Bildung sowie Studierende und wissenschaftliche MitarbeiterInnen von anderen Hochschulen über die theoretischen Grundlagen, aktuelle Herausforderungen, Rahmenbedingungen und Perspektiven einer kritischen politischen Bildungsarbeit informieren und austauschen.
Die Bildungsforscherin PD Dr. Bettina Lösch von der Universität zu Köln beschrieb in ihrem Vortrag die Grundlagen, Merkmale und Ziele einer kritischen politischen Bildung. Basierend auf einer kritischen Gesellschaftstheorie, die auch Fragen zu Macht- und Herrschaftsverhältnissen aufwirft, müssten Demokratiedefizite deutlich gemacht werden – und zwar in allen Lebensbereichen. Es müsse klar werden, dass Lebensbedingungen veränderbar sind und für viele Menschen verbessert werden müssten. Letztlich gehe es um die Ausweitung gesellschaftlicher und demokratischer Teilhabe, den Abbau von Unterdrückung und die Überwindung sozialer Ungleichheit. Sie beschrieb besonders fragwürdige Entwicklungen wie das verstärkte Engagement der Bundeswehr oder des Verfassungsschutzes in Schulen.
Kurt Edler vom Institut für Lehrerfortbildung und Schulentwicklung in Hamburg beleuchtete im Anschluss die Möglichkeiten und die Grenzen für die Entwicklung einer demokratischen Schulkultur.
In vier Workshops erhielten die TeilnehmerInnen am Nachmittag einen Einblick in unterschiedliche methodische Ansätze politischer Bildungsarbeit. Basierend auf konkreten Projekten des XENOS-Projektes stellte Isolde Aigner die „Demokratiewerkstatt“ vor, der Theaterpädagoge und Regisseur Andreas Schmid präsentierte seinen theaterpädagogischen Ansatz und Hannelore Steinert informierte über ein Projekt zur historisch-politischen Bildungsarbeit.
Bei der abschließenden Podiumsdiskussion skizzierten die Politikwissenschaftlerin Dr. Julika Bürgin, Prof. Dr. Andreas Kost (stellvertretender Leiter der Landeszentrale für politische Bildung NRW) sowie Eberhard Seidel, (Geschäftsführer von „Schule ohne Rassismus“) die Bedeutung, Aufgaben und Herausforderungen einer kritischen politischen Bildung.
Laut Andreas Kost sieht die Landeszentrale für politische Bildung ihre Aufgabe in erster Linie in der „Informationsvermittlung“ und Aufklärung zu gesellschafts-politischen Themen. Ziel sei es, der gegenwärtigen „Politikverdrossenheit“ entgegenzuwirken und die Bürger zu demokratischer Handlungskompetenz zu befähigen. Julika Bürgin stellte hingegen die Kritikfähigkeit in den Vordergrund. Bei kritischer politischer Bildung kenne Kritik „keine Grenzen und nimmt nichts aus“. Sie müsse auch Fehlentwicklungen gerade innerhalb demokratischer Prozesse und Strukturen kritisch reflektieren. Für Eberhard Seidel muss kritische politische Bildung neue Möglichkeiten zur Partizipation Jugendlicher schaffen. Sie müsse daher innovativ ausgestaltet und auf die Lebenswirklichkeit junger Menschen abgestimmt sein.
Diskutiert wurde auch der zunehmende staatliche Einfluss auf die politische Bildung durch Bundeswehr und Verfassungsschutz mit gleichzeitiger Verdrängung nicht-staatlicher Akteure. Für Eberhard Seidel sollte kritische politische Bildung grundsätzlich von nichtstaatlichen Akteuren ausgeübt werden, um einen kontroversen Diskurs zu gewährleisten. Julika Bürgin plädierte außerdem für einen Ausbau finanzieller und fachlicher Ressourcen für die Akteure und MultiplikatorInnen politischer Bildung.
Insgesamt zeigten die Beiträge und die positiven Rückmeldungen zu diesem Fachtag, dass der Forschungsschwerpunkt „Rechtsextremismus und Neonazismus“ innerhalb seines vielfältigen Profils auch weiterhin Foren für eine Auseinandersetzung über präventive Strategien sowie praxisorientierte, demokratiefördernde Ansätze ermöglichen sollte.