Neues Promotionskolleg: Leben im transformierten Sozialstaat
Den Wohlfahrtsstaat früherer Zeiten gibt es nicht mehr – viele europäische Länder haben in den letzten Jahren Reformen eingeleitet: Leistungen werden zurückgefahren, es wird auf mehr Eigenverantwortung des Einzelnen gesetzt. Aber was bedeutet dies konkret für die Menschen? Wie sichern sie sich ab gegen Arbeitslosigkeit, Krankheit oder zu niedrige Renten? Das „Leben im transformierten Sozialstaat“ untersuchen ab Anfang 2013 die Universität Duisburg-Essen (UDE) und die Fachhochschulen Düsseldorf und Köln in einem gemeinsamen Promotionskolleg.
Das Projekt, das zehn Professorinnen und Professoren hochschultypübergreifend betreuen, wird in den nächsten drei Jahren mit 1,5 Mio. Euro über das Programm „NRW.Forschungskooperationen“ gefördert. „Das Land schafft damit erstmals die strukturellen Voraussetzungen für gleichberechtigte Promotionen von Fachhochschulabsolventen“, erläutert Prof. Dr. Sigrid Leitner, die gemeinsam mit Prof. Dr. Ute Klammer von der Universität Duisburg-Essen zu den Sprecherinnen des Kollegs gehört.
Das Promotionskolleg will – auch international vergleichend – erforschen, wie sich Veränderungen in der Sozialpolitik auf die Zielgruppen der Sozialen Arbeit auswirken. Die sozialpolitische Wirkungsforschung soll damit erstmals systematisch mit der in der Sozialpädagogik etablierten Adressatenforschung zusammengeführt werden. Auf diese Weise kann herausgearbeitet werden, wie sich veränderte sozialpolitische Maßnahmen und Leistungen konkret auf die verschiedenen Zielgruppen auswirken. Ändern sich deren Verhaltensmuster und Lebenslagen? Und wie muss sich die Sozialpolitik und Sozialarbeit darauf einstellen?
Durch die ökonomische Globalisierung, De-Industrialisierung und soziale Modernisierung kann es zu Brüchen und Widersprüchen kommen: Politische Leitziele, Wirkungsweisen der Sozialpolitik und soziale Praktiken der adressierten Gruppen stimmen nicht mehr überein. „Die deutsche Familienpolitik hat neue Leitbilder der geteilten Elternschaft und der Erwerbstätigkeit beider Eltern entwickelt. Aber wie gehen Eltern damit um? Und welche Rolle spielen dabei Geschlecht, Einkommen und sozio-kulturelles Herkunftsmilieu?“, erläutert Prof. Dr. Sigrid Leitner eine der leitenden Forschungsfragen. Das Besondere der geplanten Promotionsprojekte ist, dass sie die sozialpolitischen Wirkungszusammenhänge mit der gelebten Alltagspraxis der Betroffenen verknüpfen. „Im Fokus der Untersuchungen stehen vor allem die Auswirkungen auf die Zielgruppen Jugendliche, Erwerbstätige, ältere Menschen, Eltern, pflegende Angehörige sowie MigrantInnen“, ergänzt Prof. Dr. Simone Leiber von der FH Düsseldorf.
Die genauen Themen werden in den nächsten Monaten ausgearbeitet. Zwölf DoktorandInnen können in dem Verbundprojekt forschen. Das neue Graduiertennetzwerk profitiert von den Erfahrungen eines bereits etablierten Forschungsverbunds: Die Universität Duisburg-Essen koordiniert schon ein von der Hans-Böckler-Stiftung gefördertes Promotionskolleg zur Sozialen Arbeit mit vier Fachhochschulen. Zusammen mit den Fachhochschulen Köln und Düsseldorf, der Hochschule Niederrhein und der Katholische Hochschule NRW erforscht die UDE seit 2011 das Themenfeld „Widersprüche gesellschaftlicher Integration. Zur Transformation Sozialer Arbeit“.
Dass nun ein weiteres hinzukommt, freut Prof. Dr. Ute Klammer: „Es fehlen nicht nur Fachkräfte in den Sozial- und Gesundheitsberufen, sondern auch qualifizierte Nachwuchswissenschaftler in den entsprechenden, meist von FHs getragenen Studiengängen. Sie werden aber dringend gebraucht, um die komplexen sozialstaatlichen Veränderungen an das Fach- und Führungspersonal weiterzugeben.“
Weitere Informationen:
- Prof. Dr. Ute Klammer, Tel.: 0201 / 183-2002, ute.klammer@uni-due.de
- Prof. Dr. Sigrid Leitner, Tel.: 0221 / 8275-3332, sigrid.leitner@fh-koeln.de