Großer Andrang bei FORENA-Fachtagung zum Thema Zuwanderung & Antiziganismus
Migrationsbewegungen aus Rumänien und Bulgarien nach Deutschland waren in den letzten Monaten ein Thema in Politik und Medien, das immer wieder dramatisiert und dazu genutzt wurde, mit (rechts-)populistischen Parolen Emotionen und Ängste zu schüren. Nicht selten kam und kommt es zu unsachlichen Vereinfachungen, in denen alle Migrant_innen aus Rumänien und Bulgarien als arm, unqualifiziert und häufig auch pauschal als Roma stigmatisiert werden. Regelmäßig werden dabei – offen oder versteckt – tradierte Vorurteile und Stereotype gegenüber Roma und Sinti aktualisiert. Mit diesen Formen des Antiziganimus* sowie mit den gegenwärtigen Migrationsbewegungen aus Südosteuropa in deutsche Kommunen beschäftigte sich die Fachtagung „Zuwanderung und Antiziganismus. Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven“ , die der Forschungsschwerpunkt „Rechtsextremismus/ Neonazismus“ (FORENA) zu Beginn des Sommersemesters 2014 im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Fachhochschule Düsseldorf organisiert hatte. Das Thema stieß auf so großes Interesse, dass aufgrund der räumlichen Kapazitäten nicht alle Anmeldungen berücksichtigt werden konnten. Mit 130 Personen war die Tagung komplett ausgebucht.
Die Teilnehmenden nutzten die Chance, sich in vier Rahmenvorträgen und sechs parallelen Themenforen über historische und gegenwärtige Erscheinungsformen des Antiziganismus sowie über aktuelle Anforderungen an und Herausforderungen für Kommunen, Schule und Soziale Arbeit zu informieren. Gemeinsam wurden politische und pädagogische Handlungsstrategien diskutiert, die zivilgesellschaftliches Handeln, Selbstorganisation und Partizipation stärken sowie Diskriminierungen, Rassismus und Antiziganismus entgegenwirken.
Eröffnet wurde das Vortragsprogramm von Prof. Dr. Astrid Messerschmidt von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Sie unterschied in ihrem Beitrag „Sehnsucht, Verachtung, Diskriminierung“ vier verschiedene Erscheinungsformen und Funktionsweisen des Antiziganismus in Deutschland: 1) die romantische, 2) die nationale und 3) die moderne, rassistische Variante, welche zur Legitimation für die systematische Verfolgung und Ermordung von Sinti und Roma im Nationalsozialismus benutzt wurde, sowie 4) den sekundären Antiziganismus, der sich auf den Zeitraum nach 1945 bezieht. Dass antiziganistische Stereotype auch in den Mainstreammedien nicht nur salonfähig, sondern zudem alltäglich sind, veranschaulichte im Anschluss der Politikwissenschaftler Markus End aus Berlin. Anhand zahlreicher Beispiele aus der aktuellen Medienberichterstattung illustrierte er, wie Vorurteile bedient und Ängste geschürt werden, in dem statistische Angaben falsch interpretiert und Berichte über Migration aus Rumänien und Bulgarien mit themenfremden, jedoch Stereotype aufgreifenden Bildern illustriert werden. Dr. Elisabeta Jonuz von der Universität Köln stellte die Ergebnisse eines Forschungsprojekts zur Situation der in den letzten Jahren oder Monaten in Duisburg und Dortmund neu angekommenen Migrant_innen vor. Beide Kommunen nehmen die aktuelle Zuwanderung als große Belastung war und forderten wiederholt Unterstützung seitens Land oder Bund. Jonuz zeigte anhand ihrer Studie Formen der institutionellen Diskriminierung und des Rassismus gegenüber den Neuankömmlingen auf. Darüber hinaus unterstrich sie sowohl die positive Rolle von Migration für die Stadtentwicklung und betonte, dass soziale Probleme in der Regel in solchen Stadtteilen auftreten, die bereits vor der Ankunft von Migrant_innen strukturell und sozial benachteiligt sind. Prof. Dr. Thomas Münch von der FH Düsseldorf beschäftigte sich speziell mit der Situation der Wohnungslosenhilfe. Deren Angebote werden in den vergangenen Jahren auch vermehrt von armen Menschen aus Südosteuropa in Anspruch genommen. Diese gestiegene Nachfrage verbunden mit neuen Anforderungen, etwa nach rumänisch oder bulgarisch sprachigen Sprachmittler_innen, nehmen viele Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe aufgrund begrenzter Kapazitäten und Ressourcen als Belastung oder gar Überforderung wahr. Die Pilotstudie von Münch diente dazu, erstmals Erkenntnisse über den quantitativen und qualitativen Bedarf zu generieren und so konkrete Anforderungen an Kommunen formulieren zu können.
Aufgeteilt in sechs Gruppen vertieften die Teilnehmenden in den Themenforen nicht nur ihr Wissen zu Aspekten wie Jugendselbstorganisationen, Rassismus und Antiziganismus in den Medien oder der extremen Rechten, sondern traten auch in einen lebhaften Austausch mit den Referent_innen und diskutierten gemeinsam Herausforderungen, bestehenden Handlungsbedarf und mögliche Strategien in den Bereichen Jugendarbeit, niedrigschwellige Soziale Arbeit, Schule und Zivilgesellschaft. Im Laufe der eintägigen Tagung wurde eine Vielzahl an Aspekten und Perspektiven thematisiert. Deutlich wurde, dass Bedarf an weiterem Austausch und Vertiefung der Themen unter Berücksichtigung verschiedener Praxisfelder besteht. So bleibt zu hoffen, dass die Tagung einen ersten Schritt zur Vernetzung beitrug und in Zukunft weitere Veranstaltungen folgen werden.
Konzipiert wurde die Veranstaltung von Adelheid Schmitz vom Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus und Neonazismus (FORENA) der Fachhochschule Düsseldorf. Als Kooperationspartner wirkten die Heinrich Böll Stiftung NRW, der Paritätische in Nordrhein-Westfalen, Terno Drom und fiftyfifty mit. Ein ausführlicher Tagungsbericht erscheint in der kommenden Ausgabe des „Forschungsjournals neue Soziale Bewegungen“.